Seifenherstellung — Das Kaltrührverfahren

Seifenherstellung — Das Kaltrührverfahren

MARI & ANNE – nicht nur eine versteckte Hommage an ein kleines Familienunternehmen, sondern besonders auch an Marianne. Die Mutter der beiden Schwestern Sabine und Marina steckt hinter unseren Rezepturen und Produkten. Marianne hat in den 90er Jahren allein in ihrer Seifenküche die ersten Salben und Seifen auf Naturbasis hergestellt, um Sabine mit ihrer Hauterkrankung periorale Dermatitis Linderung zu verschaffen.

Dabei ist es ihr und uns bis heute wichtig, qualitativ hochwertige, regionale, pflanzliche, tierversuchsfreie und nachhaltig wirksame Naturkosmetik herzustellen. Um die Inhaltsstoffe der Seifen bestmöglich zu erhalten, wenden wir in unserer Manufaktur ein bestimmtes Verfahren an.

Kalt… was? 

Das sogenannte Kaltrührverfahren ermöglicht nicht nur einen langsam ablaufenden Verseifungsprozess, sondern bietet auch eine schonende Verarbeitung der Rohstoffe, die dadurch zu einem großen Teil erhalten werden können. ⁠Wundervolle, sekundäre pflanzliche Stoffe aus z. B. kaltgepressten edlen Pflanzenölen und -buttern bleiben durch dieses Verfahren hautverfügbar und -nährend. Darüber hinaus bleibt auch das natürliche Glycerin enthalten, das sowohl den Haaren als auch der Haut Feuchtigkeit spendet.⁠

Dadurch, dass jedes Öl bei bestimmten Temperaturen verarbeitet werden möchte, liegt die Reifezeit der Seifen bei mehreren Wochen bis Monaten. Auch die Herstellung bzw. Produktion dauert seine Zeit – das Ergebnis spricht jedoch für sich.

Back to the roots – Seifensieder

Die Seife hat eine lange Geschichte. Schon die Sumerer erkannten, dass die Vermengung von Pflanzenasche mit Ölen besondere Eigenschaften hat. Damit schufen sie vor rund 4.500 Jahren die Basis einer Seifenrezeptur, die zunächst eher als Heilmittel für Verletzungen diente. Auch im Alten Testament lassen sich Hinweise auf den Gebrauch von mineralischer Soda und Lauge aus Pflanzenasche zum Waschen finden. Ägypter, Griechen und Germanen verwendeten ähnliche Seifenformen. Die reinigende Wirkung der Seife wurde erst ab dem 2. Jahrhundert nach Christi von den Römern festgestellt. Sie entdeckten, dass die Mischung auch sauber macht.

Im 7. Jahrhundert wurden im Nahen Osten erstmals Öl und Lauge miteinander verkocht und die uns heute bekannte, feste Seife erschaffen (Aleppo-Seife). Außerdem verwendete man dort gebrannten Kalk, um vor allem feste Seifen zu produzieren. Dieses Wissen breitete sich auch in Europa aus. Insbesondere Frankreich und Spanien gehörten später zu den Zentren der Seifenherstellung.

Die Ärzte in Europa vertraten bis zum 17. Jahrhundert die Meinung, dass Wasser und Luft dem Körper schaden würde. Nur die Kleidung und massives Einpudern diente als Schutz vor diesen “schädlichen” Elementen. Erst der französische König Ludwig XIV. verhalf der Seife zu neuer Blüte und holte die besten Seifensieder nach Versailles. Er erließ 1688 das bis heute bekannte Reinheitsgebot für Seife. Demzufolge galt eine Seife als besonders hochwertig, wenn sie mindestens 72 % reines Öl enthielt.

Mit dem Chemiker Nicolas Leblanc wurde 1791 ein Verfahren zur künstlichen Herstellung von Soda populär – ein Natriumsalz, das für die Seifenherstellung unerlässlich war. Diese Erfindung markierte gleichzeitig auch den Beginn der Massenproduktion und wurde dann 1865 vom Belgier Ernest Solvay abgelöst. So war zum einen genügend Soda für die Seifenherstellung vorhanden und zum anderen wurde Seife zu einem bezahlbaren Produkt, mit dem der Körper nun regelmäßig gewaschen und von unangenehmen Gerüchen befreit werden konnte.

Um 1829 gab es dann auch in England und Deutschland bedeutende Seifenfabrikationen, die nicht nur Seifen mit hochwertigen Ölen für die Körperpflege, sondern auch mit Lein- oder Hanföl zur Reinigung von Stoffen und Holz sowie bei der Dampfwäsche von Textilien herstellten.

Einzelne Schritte des Kaltrührverfahrens

Für die industrielle Herstellung spielte das Kaltrührverfahren nie eine große Rolle, in Manufakturen ist es jedoch die beliebteste Art zur Seifenherstellung. Im Folgenden erklären wir, welche einzelnen Schritte das Verfahren durchläuft.

  1. Zunächst werden die einzelnen Öle und Fette erwärmt und schonend zum Schmelzen gebracht. Wir verwenden hierfür ausschließlich hochwertige, pflanzliche Öle und Fette aus kontrolliert-biologisch oder biologisch-dynamischem Anbau. Diese werden bei relativ niedriger Temperatur (ca. 30 bis max. 50 Grad Celsius) vermischt und dadurch verseift. Dabei werden zuerst die festen Fette erwärmt (z. B. Babassuöl) und danach die flüssigen (z. B. Traubenkernöl).
  2. Das Gemisch muss so lange gerührt werden, bis es der Konsistenz von Pudding ähnelt.
  3. Danach können ggf. noch weitere Zutaten (z. B. ätherische Öle) hinzugefügt werden.
  4. Zum Schluss wird durch das Lösen von Natriumhydroxid in Wasser Natronlauge (NaOH) hergestellt und dazu gegeben. Wirklich “kalt” ist das Verfahren aber deshalb nicht, da sich durch die entstehende Reaktionswärme das Gemisch aus Fett und Lauge stark aufheizt.
  5. Die flüssige Masse muss im Anschluss zügig in die entsprechenden Formen gegossen werden, da sie schnell zu fest wird.
  6. Dann heißt es: Ruhen. Und das für ca 24 bis 48 Stunden. Erst dann lässt sich die Seife aus der Form nehmen, sollte aber noch weiter gelagert werden.

Chemisch gesehen hängen sich bei diesem Prozess an ein Glycerinmolekül drei Fettsäuremoleküle. Beim Verseifen werden die Fettmoleküle dann aufgespalten. Sie verbinden sich jeweils mit einem Laugenmolekül und bilden zusammen ein Seifenmolekül, bestehend aus Säure und Base.

Aufgrund der niedrigeren Temperatur ist die Verseifung zunächst nicht vollständig, d. h. in den ersten Wochen nach Abfüllung ist die hergestellte Seife mit einem pH-Wert zwischen 11 und 12 noch stark alkalisch und sollte in diesem Zustand nicht verwendet werden. Erst durch die lange Zeit (ca. vier bis sechs Wochen) der Lagerung und Reifung wird die überschüssige Lauge verbraucht und die Verseifung ist abgeschlossen. Das Nachreifen führt auch zum richtigen Durchtrocknen der Seife. Sie schrumpft dabei leicht, wird härter und etwas leichter. Ein bisschen lässt sich das mit guten Weinen vergleichen. Je länger die Lagerungszeit, desto besser die Seife oder der Wein. Allerdings müssen selbstverständlich auch immer die Vorschriften zum Mindesthaltbarkeitsdatum beachtet werden.

 

Good to know: Da die Verarbeitung der hochwertigen Rohstoffe und (ätherischen) Öle bereits bei niedriger Temperatur stattfindet, werden der Seifenmasse nachträglich keine zusätzlichen Fette zugeführt und es findet am Ende auch keine zusätzliche Aufreinigung statt. Alle eingesetzten Stoffe sowie das bei der Verseifung entstandene Glycerin verbleiben als pflegende Komponenten in der Seife. Das macht kaltgerührte Seifen sehr viel sanfter und milder als industriell hergestellte. Darüber hinaus enthalten feste Produkte kein zusätzliches Wasser und benötigen deshalb auch keine Konservierungsstoffe. 

Unterschiede zur Heißverseifung

Bei der Heißverseifung wird, wie der Name schon sagt, eine hohe Temperatur im Herstellungsprozess verwendet, wodurch viele wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe und deren positive Eigenschaften für die Haut verloren gehen. Auch das Glycerin wird bei diesem Verfahren abgeschöpft und steht somit nicht mehr als Feuchtigkeitslieferant zur Verfügung. Ein Vorteil dieses Verfahrens ist natürlich, dass man die Reifezeit von mehreren Wochen auf wenige Stunden verkürzt und somit die Produktions- und Lagerkosten deutlich niedriger sind. Unsere Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass sich der Aufwand des Kaltrührverfahrens lohnt – sowohl für die Haut als auch für die Umwelt.

Und was ist mit Flüssigseifen?

Flüssigseifen bestehen überwiegend nicht aus verseiften Fetten, sondern aus Wasser, synthetisch hergestellten Tensiden sowie Duft-, Verdickungs- und Konservierungsmitteln. Eine Studie hat sogar belegt, dass sie trotz Spender nicht hygienischer sind als Seifenstücke.

Bis heute schneidet das klassische Seifenstück im Vergleich zur Flüssigseife in puncto Kosten und Umweltverträglichkeit besser ab, allerdings ist die Seife in flüssiger Form natürlich eine ernstzunehmende Konkurrenz.